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Schwert oder Pflugschar? Unterscheidung von Kriegseinwirkungen und Spuren ziviler Nutzung im Digitalen Geländemodell (DGM)

Die Auswertung historischer Luftbilder aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges ist ein unverzichtbarer Aspekt der Rekonstruktion von Ereignissen, die zu einer Kampfmittelbelastung geführt haben können. Die Aussagekraft von Luftbildern als „objektive Zeitzeugen“[1] stößt jedoch dort an ihre Grenzen, wo der Blick auf den Erdboden zum Zeitpunkt der Aufnahmen versperrt war. Vegetationsdecken, insbesondere Waldgebiete, können sich über große Flächen erstrecken, die dann nicht oder lediglich stak eingeschränkt hinsichtlich kampfmittelrelevanter Spuren auswertbar sind. In diesen Fällen kann zur Unterstützung der Luftbildauswertung ein Digitales Geländemodell (DGM1) herangezogen werden.

DGM beruhen in der Regel auf Daten aus luftgestützten Laserscans (LiDAR). Die Laserpulse sind in der Lage Baumkronen zu durchdringen. So kann die aktuelle Topografie auch unter Wald vermessen und als DGM visualisiert werden. Da die Geländebeschaffenheit in Waldgebieten meist über lange Zeiträume unverändert bleibt, können Kriegseinwirkungen in Form von Vollformen (Bunker, Stellungen) und Hohlformen Sprengbombentrichter, Deckungsgräben und-löcher) bis heute im DGM erkennbar sein.

Die Erdoberfläche in ihrer heutigen Form ist das Ergebnis komplexer Prozesse, während derer Strukturen aus unterschiedlichsten Zeiten erhalten, vergangen, überprägt und zum Teil ineinander übergegangen sein können. Dabei haben nicht nur die Kriegsereignisse der jüngeren Geschichte ihre Spuren hinterlassen. Häufig sind Voll- oder Hohlformen auch Relikte ziviler Nutzung oder militärischer Anlagen aus früheren Zeiten bis weit in die Vorgeschichte hinein. Besonders hoch ist die Gefahr der Verwechslung von zivilen Nutzungsspuren mit Kriegseinwirkungen jedoch im Falle mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Bergbauspuren.  

Oberflächennaher Abbau von Erzen und anderen Bodenschätzen kann durch das Abteufen senkrechter Schächte, sogenannter Pingen[2], geschehen. Diese Schächte sind meist nicht abgesichert und können daher nur bis in wenige Meter Tiefe unter der Geländeoberkante getrieben werden. Ist ein weiteres Abteufen aufgrund der Stabilität oder durch Wassereinbruch nicht mehr möglich oder wirtschaftlich, wird eine weiterer Schacht neben dem ersten angelegt. Über die Zeit hin entsteht so ein Pingenfeld bzw. Pingenzug. Durch Erosion füllen sich die Schächte im Laufe der Zeit, bis schließlich trichterförmige Gruben mit wenigen Metern Durchmesser im Geländerelief übrigbleiben. Diese Gruben sind meist von einem Erdwall umgeben, der aus dem Taubgestein und dem Aushub aus der Pinge besteht.

Stollen und Schächte aus frühgeschichtlicher und historischer Zeit wurden meist mit einfachen Holzeinbauten stabilisiert und häufig nur in geringen Maßen wieder verfüllt. Kommt es aufgrund von Vermoderung zum Versagen der hölzernen Stützen, kann das Deckgestein oberhalb des Hohlraumes einbrechen. An der Oberfläche entsteht eine runde oder längliche Vertiefung, ein so genannter Tagbruch[3].

Um den Aufwand für den Transport gering zu halten, fand die Verarbeitung des abgebauten Erzes in der Regel in der näheren Umgebung zu den Bergbaurevieren statt. Als Energieträger wurde dabei Holzkohle verwendet. Da der Transport der Kohle weit weniger aufwändig ist als jener von Holz, fand die Verkohlung des Holzes im Kohlenmeiler meist direkt im Wald statt. An Hängen wurden als Standort für die Meiler rundliche Terrassen, so genannte Köhlerplatten[4], mit Durchmessern von 20 m und mehr angelegt, die zum Teil heute noch im DGM sichtbar sind.

Die beschriebenen Strukturen können leicht mit Kriegseinwirkungen verwechselt werden. Köhlerplatten, Pingen und längliche Tagbrüche können fälschlicherweise als Stellungen bzw. Deckungsgräben interpretiert werden (vgl. Abbildung 1&2 vs. Abbildung 3). Runde Tagebrüche oder Pingen, deren Erdwall erodiert ist, ähneln Sprengbombentrichtern (vgl. Abbildung 4 und 5).

Der wichtigste Hinweis für eine korrekte Zuordnung bei der Auswertung digitaler Geländemodelle ist der Kontext, in dem sich die Strukturen befinden. Liegen sie in bekannten Bergbauregionen (z.B. im Harz oder im Erzgebirge), kann dies bereits ein Anhaltspunkt sein, dass es sich um Bergbauspuren handelt. Auch benachbarte Geländeformationen können Aufschluss geben, worum es sich bei Strukturen im DGM handelt. So liegen Köhlerplatten häufig in regelmäßigen Abständen zueinander in höheren Lagen nahe den Bergwerken. Ist daher ein großflächiges DGM vorhanden, sollte im Zweifelsfalle auch das weitere Umfeld der Befunde im Hinblick auf weitere Strukturen betrachtet werden.

Um die im DGM sichtbaren Hohl- und Vollformen zuverlässig anzusprechen und eine belastbare funktionale Zuordnung vorzunehmen, bedarf es letztlich erfahrener Auswerter*innen, die sich der Vielzahl der Einflüsse und der langen Zeiträume bewusst sind, die die heutige Form der Erdoberfläche geschaffen haben.

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